Von Dr. Matthias Wolter (25.09.2021)
Wer kennt das nicht? Man ist wütend, nervös, ängstlich oder genervt/gereizt oder fühlt sich provoziert und möchte gerade in dieser Situation vernünftig, besonnen, intelligent und möglichst lösungsorientiert handeln. Doch was passiert? Man macht genau das Gegenteil! Es wird weniger Intelligentes gesagt, wird laut statt leise, ist patzig statt offen für andere Ideen, aggressiv statt wertschätzend, zurückhaltend statt selbstbewusst. Diese Situationen oder ähnliches kennt wahrscheinlich jeder von uns .
STRESS MACH DUMM UND DIE SELBSTKONTROLLE SCHWIERIG!
Ist eine herausfordernde, emotionale Situation vorbei, dann sind sie da, die klugen Einsichten und brillanten Einfälle und Antworten. Wir ärgern uns darüber und nehmen uns fest vor, dass das nicht wieder passiert. Doch „kluges“ Handeln hat nicht immer etwas mit Wissen, Einsichten oder gar Kompetenz zu tun, sondern wir stehen unter dem Einfluss unserer Emotionen. Emotionen und Stress sind per se nichts Schlechtes. Doch wenn sie sich zum negativen Stress entwickeln, dann geraten wir in Gefahr, dass sie uns stärker leiten als uns lieb ist oder in der Situation sinnvoll erscheint.
WARUM STRESS DUMM MACHT
Wenn wir uns aufregen, Angst haben oder genervt sind, dann schüttet der Körper verschiedene „Stresshormone“ aus. Das bekannteste davon ist sicher Adrenalin. Adrenalin verhilft uns zu ungeahnten Kräften, aber hat den Nachteil, dass es dazu parallel die „klugen/rationalen“ Areale im Gehirn zunehmend hemmt. Der Zugriff auf relativ neu gelernte Kommunikationstechniken wird immer schwerer. Auch einfache Denk– und Verständnisprozesse sowie die Fähigkeit, Informationen zu behalten gelingen weniger. Gleichzeitig reduziert sich die Fähigkeit zur Empathie oder zur Gegenwehr (je nach Persönlichkeitstyp) zum Teil dramatisch.
DAS KIND IN UNS WIRD SICHTBAR
Unter negativem Stress und der Einwirkung der Stresshormone greift das Gehirn zunehmend auf kindliche, früh geprägte Verhaltensmuster zu. Einer der Gründe hierfür ist, dass das Gehirn Energie für Kampf oder Flucht sparen möchte und es zunehmend vermeidet, in die energetisch aufwändigen rationalen Bereiche nach Lösungen für die derzeitige Situation zu suchen. Stattdessen nutzt es die Verhaltensschemata, die schnell und ohne große Energie zur Verfügung stehen; die früh gelernten Kommunikations- und Verhaltensmuster aus der Kindheit. Nicht ohne Grund sagt man: „Die verhalten sich wie die Kinder!“
WIE KANN MAN SEINE SELBSTKONTROLLE VERBESSERN?
ZUSAMMENREIßEN! EIN ERFOLGSREZEPT?!
Sich „zusammenzureißen“ oder „sich im Griff zu haben“ funktioniert häufig, aber trotz größter Motivation nicht immer. Was also tun? Zunächst sollte der Weg zu einer verbesserten Selbstkontrolle mit einer sehr ehrlichen Selbstreflexion beginnen. Warum „ehrlich“? Man kann sich wunderbar vormachen, dass man nur emotional wurde, weil man provoziert wurde, andere nicht Auto fahren können oder man von Idioten umgeben ist. Da ist sicherlich auch was dran, aber der erste Schritt zur Selbstkontrolle ist die Einsicht, dass man z.B. schnell wütend/ängstlich wird, dass es ein „gutes“ Gefühl ist, laut und dominant zu sein oder dem anderen gezielt einen einzuschenken. Auf dieser Erkenntnisgrundlage ist es dann möglich, individuelle Selbstkontrollstrategien zu entwickeln.
STRESSAUSLÖSER IDENTIFIZIEREN
Um geeignete Impuls- und Selbstkontrollmechanismen für stressbesetzte Situationen zu erlernen ist es wichtig, die individuellen Stressauslöser zu kennen. Denn nicht auf jeden blöden Kommentar, ein Augenrollen oder unfähige Verkehrsteilnehmer reagieren wir gleichermaßen ungehalten. Es kann spezifische Personen und/oder Situationen und/oder Verhaltensweisen geben, an denen wir kopfschüttelnd vorbeigehen. Aber andere Reize können uns regelmäßig und wiederkehrend zur Weißglut bringen. Es gilt, diese für sich zu identifizieren, damit klar wird, wann und wo man am meisten „gefährdet“ ist.
STRESSAUSLÖSER UND BIOGRAFISCHE ERFAHRUNGEN
Sind die Stressauslöser identifiziert, kann man sich mit den biografischen Gründen dieser Trigger auseinandersetzen. Das muss nicht zwingend erfolgen, aber es kann das Verständnis fördern, sich und sein Verhalten in stressbesetzen Situationen besser zu verstehen. Und möglicherweise auch helfen zu akzeptieren, dass ich der bin, zu dem das Leben mich gemacht hat. Diese Einsichten und Erkenntnisse können wiederum helfen, geeignete und individuelle Impuls- und Selbstkontrollmechanismen zu entwickeln.
SELBSTKONTROLLE TRAINIEREN
Ich wage die These, dass die meisten Teilnehmern nicht immer viele neue Kompetenzen lernen müssen, sondern dass es vielmehr darum geht, dass die bestehenden Kompetenzen auch unter Stress, Wut, Angst, oder welcher Emotion auch immer, gezielt, sicher, rational abgerufen und im Kontext der Motive des Gegenübers eingesetzt werden. Nur weil ich etwas weiß, heißt es nicht, dass ich es dann auch unter Stress kann.
TEMPO RAUSNEHMEN UND ZEIT LASSEN
Einer der effektivsten Stressbewältigungsstrategien kennen Sie bereits: Dreimal durchatmen, bis Zehn zählen, eine Nacht darüber schlafen usw. Es ist wahrlich „Old school“ und dennoch ist viel Wahres dran. Einer der wichtigsten Tools ist, das Tempo aus dem Geschehen zu nehmen, denn ein Merkmal, insbesondere von Konflikten, ist das zunehmende Tempo in einer Auseinandersetzung. Ein Wort gibt das andere. Da ist wenig Zeit zu überlegen, ob das was ich gerade tue oder nicht tue gut und zielführend ist. Und unser Gehirn muss wieder in die kindlichen Areale greifen, denn mit den dort verankerten Verhaltensweisen kann man sehr schnell reagieren. Nur eben nicht immer klug oder lösungsorientiert..
WIR HABEN NOCH MEHR IDEEN , TIPPS UND STRATEGIEN
In diesem Blog können wir nicht alle Ideen, Tipps und Strategien darstellen, die Ihre Selbstkontrolle weiter verbessern. Aber in unserem Training zur Impuls- und Selbstkontrolle oder in einem individuellen Coaching können wir mit Ihnen gemeinsam daran arbeiten, sich auch in schwierigen Situationen besser/klüger/mutiger zu verhalten.
IHR FEEDBACK FREUT UNS!
Wenn Ihnen dieser (wie immer viel zu kurze oder zu oberflächliche) Meinungsblog gefallen oder auch nicht gefallen hat, schreiben Sie mir gerne ein Feedback. Auch wenn Sie Anregungen für einen neuen Blog haben, freue ich mich über Ihre Zuschriften.
Ihr Matthias Wolter