Selbstkontrolle unter Stress: In emotionalen Situationen vernünftig handeln

Von Dr. Matthias Wolter (15.11.2023)

Wer kennt das nicht: Man ist wütend, nervös, ängstlich, gereizt oder fühlt sich provoziert und möchte gerade in dieser Situation eigentlich vernünftig, rational, intelligent und möglichst lösungsorientiert handeln. Doch was passiert? Unter Stress passiert oft genau das Gegenteil! Es wird weniger Intelligentes gesagt, es wird laut statt leise, man ist patzig oder trotzig statt offen für andere Ideen, aggressiv statt wertschätzend, zurückhaltend statt selbstbewusst. Solche oder ähnliche Situationen kennt wahrscheinlich jeder von uns. Uns ist bewusst, dass erhöhte Lautstärke, Trotz, gereiztes Verhalten oder Rückzug selten zu klugen und nachhaltigen Lösungen führen – eher zu Konflikten oder schlechter Stimmung bei allen Beteiligten. Doch wie soll man sich beherrschen, einen kühlen Kopf bewahren, wenn alles drunter und drüber geht? Selbstkontrolle unter Stress ist häufig eine äußerst schwierige Aufgabe. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen und Ihren Mitarbeitern erste Tipps und Strategien zur Selbstbeherrschung aufzeigen, damit Sie auch in stressigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren können.

Selbstkontrolle unter Stress - Selbstbeherrschung und Impulskontrolle
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Selbstregulation: Wie wir emotionalen Stress in den Griff bekommen und kluge Entscheidungen treffen

Oft sind wir nach stressigen oder herausfordernden emotionalen Situationen deutlich klüger, dann sind sie da, die klugen Einsichten, brillante Einfälle und cleveren Antworten. Dann ärgern wir uns und nehmen uns fest vor, dass das nicht wieder passiert. Doch „kluges“ Handeln hat nicht immer etwas mit Wissen, Einsichten oder Kompetenz zu tun, sondern wir stehen unter dem Einfluss unserer Emotionen. Emotionen und Stress sind per se nichts Schlechtes. Doch wenn sie sich zum negativen Stress entwickeln, dann geraten wir in Gefahr, dass sie uns stärker leiten, als uns lieb ist oder in der Situation sinnvoll erscheint.

Stress macht dumm? – Wie Stresshormone unser Denken beeinflussen

Stress kann uns, bedingt durch biologische Prozesse im Körper dumm machen. Netter formuliert: Rationale und nachhaltige Entscheidungen deutlich erschweren. Er kann eine Person daran hindern, logisch zu denken, auf gute Erfahrungen oder Kompetenzen zuzugreifen oder gut überlegte Entscheidungen zu treffen. Stresshormone bzw. bestimmte Neurotransmitter beeinflussen den Körper und reduzieren aufgrund jahrtausendalter, genetisch verankerter Prozesse im Körper die Konzentrations- und Denkfähigkeit. Auch wenn eine Person versucht, vernünftig zu sein oder zu bleiben, können Stressreaktionen sie davon abhalten, den bestmöglichen Weg zu wählen.

Wenn wir uns aufregen, Angst haben oder genervt sind, dann schüttet der Körper verschiedene „Stresshormone“ aus. Das bekannteste davon ist sicher Adrenalin. Adrenalin verhilft uns zu ungeahnten körperlichen Kräften, hat aber den Nachteil, dass es dazu parallel die „klugen/rationalen“ Areale im Gehirn zunehmend hemmt. Der Zugriff auf relativ neu gelernte Kommunikationstechniken wird immer schwieriger. Auch einfache Denk– und Verständnisprozesse sowie die Fähigkeit, Informationen zu behalten, gelingen weniger. Gleichzeitig reduziert sich die Fähigkeit zur Empathie oder zur Gegenwehr, je nach Persönlichkeitstyp, zum Teil dramatisch.

Das Kind in uns wird sichtbar

Unter negativem Stress und der Einwirkung der „Stresshormone“ greift das Gehirn zunehmend auf kindliche, früh geprägte Verhaltensmuster zu. Einer der Gründe hierfür ist, dass das Gehirn Energie für Kampf oder Flucht sparen möchte und es zunehmend vermeidet, in die energetisch aufwendigen rationalen Bereiche nach Lösungen für die derzeitige Situation zu suchen. Stattdessen nutzt es die Verhaltensschemata, die schnell und ohne große Energie zur Verfügung stehen; die früh gelernten Kommunikations- und Verhaltensmuster und Gewohnheiten aus der Kindheit. Nicht ohne Grund sagt man: „Die verhalten sich wie Kinder!“

Erwachsene streiten wie die Kinder. Keine Selbstkontrolle unter Stress.
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Wie kann man seine Selbstkontrolle verbessern?

Selbstbeherrschung ist eine wichtige Fähigkeit, wenn Sie Ihr Leben und Ihre Ziele erfolgreich verfolgen möchten. Es gibt viele verschiedene Wege und Techniken, die Sie anwenden können, um Ihre Selbstkontrolle unter Stress zu verbessern. Einige davon können helfen, die Konzentration zu steigern oder die eigene Impulsivität und Gefühle besser regulieren zu können.

Verbessern durch Verstehen – Was ist Selbstkontrolle überhaupt?

Selbstkontrolle ist die Fähigkeit, in einer bestimmten Situation die eigenen Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen regulieren zu können. Es geht darum, sich bewusst zu machen, was erreicht und was eher vermieden werden sollte und danach zu handeln. Beim Verstehen von Selbstkontrolle ist es wichtig, die Fähigkeit zu entwickeln, die eigene Handlungsweise zu beeinflussen, um eine bestimmte Zielsetzung zu erreichen. Es geht darum, ein Bewusstsein für die eigenen Gefühle und Gedanken zu entwickeln und diese zu steuern bzw. gezielt zuzulassen, um sich selbst effektiv zu regulierenund so die eigenen Ziele zu erreichen. Selbstkontrolle ist ein wichtiger Bestandteil eines erfolgreichen und glücklichen Lebens und hilft dabei, unerwünschtes Verhalten zu vermeiden und produktivere Entscheidungen zu treffen. Verwechselt werden darf Selbstkontrolle und -disziplin allerdings nicht mit der Unterdrückung des Selbst – immer nur zurückzustecken und alles hinunterzuschlucken ist genauso ungesund. Die Unterscheidung zwischen “was ist gut für mich” und “was ist gut für die Situation” ist wichtig.

Self-Control: Eine ehrliche Selbstreflexion ist der erste Schritt zur Verbesserung

Sich „zusammenzureißen“ oder „sich im Griff zu haben“ funktioniert häufig, aber trotz größter Motivation nicht immer – sei es nun durch fehlende Disziplin, Übung oder anderes. Was also tun? Zunächst sollte der Weg zu einer verbesserten Selbstkontrolle mit einer sehr ehrlichen Selbstreflexion beginnen. Warum „ehrlich“? Man kann sich wunderbar vormachen, dass man nur emotional wurde, weil man provoziert wurde, andere Menschen nicht Auto fahren können oder man von Idioten umgeben ist. Da ist sicherlich auch was dran, aber der erste Schritt zur Selbstkontrolle ist die Einsicht, dass man z. B. schnell wütend oder ängstlich wird, dass es ein „gutes“ Gefühl ist, laut und dominant zu sein oder dem anderen gezielt einen einzuschenken. Auf dieser Erkenntnisgrundlage ist es dann möglich, individuelle Selbstkontrollstrategien zu entwickeln.

Erkenner der individuellen Stressauslöser

Um geeignete Impuls- und Selbstkontrollmechanismen für stressbesetzte Situationen zu erlernen, ist es wichtig, die individuellen Stressauslöser zu kennen. Denn nicht auf jeden blöden Kommentar, ein Augenrollen oder unfähige Verkehrsteilnehmer reagieren wir gleichermaßen ungehalten. Es kann spezifische Personen, Situationen oder Verhaltensweisen geben, an denen wir kopfschüttelnd vorbeigehen. Aber andere Reize und Menschen können uns regelmäßig und wiederkehrend zur Weißglut bringen und die Kontrolle verlieren lassen. Es gilt, diese für sich zu identifizieren, damit klar wird, wann und wo man am meisten „gefährdet“ ist und in welchen Bereichen eine gute Selbstdisziplin besonders gefordert ist.

Stressauslöser und biografische Erfahrungen

Sind die Stressauslöser identifiziert, kann man sich mit den biografischen Gründen dieser Trigger auseinandersetzen. Das muss nicht zwingend erfolgen, aber es kann das Verständnis fördern, sich und sein Verhalten in stressbesetzen Situationen besser zu verstehen. Und möglicherweise auch helfen zu akzeptieren, dass ich der bin, zu dem das Leben mich gemacht hat. Diese Einsichten und Erkenntnisse können wiederum helfen, geeignete individuelle Impuls- und Selbstkontrollmechanismen zu entwickeln.

Selbstkontrolle unter Stress trainieren

Wir wagen die These, dass die meisten Teilnehmer eines Seminars zur Selbstkontrolle nicht immer viele neue Kompetenzen lernen müssen, sondern dass es vielmehr darum geht, dass die bestehenden Kompetenzen auch unter Stress, Wut, Angst oder welcher Emotion auch immer gezielt, sicher, rational abgerufen und im Kontext der Motive des Gegenübers eingesetzt werden. Nur weil ich etwas weiß, heißt es nicht, dass ich es dann auch unter Stress tun kann. Statt Selbstkontrolle unter Stress zu lernen, geht es also vielmehr darum, die Selbstkontrolle zu verbessern.

Selbstbeherrschungs-Tipp: Tempo rausnehmen und Zeit lassen

Einige der effektivsten Stressbewältigungsstrategien kennen Sie bereits: Dreimal durchatmen, bis zehn zählen, eine Nacht darüber schlafen usw. Es ist wahrlich „Old-School“ und dennoch ist viel Wahres dran. Eines der wichtigsten Tools ist, das Tempo aus dem Geschehen zu nehmen – denn ein Merkmal, insbesondere von Konflikten, ist das zunehmende Tempo in einer Auseinandersetzung. Ein Wort gibt das andere. Da ist wenig Zeit zu überlegen, ob das, was ich gerade tue oder nicht tue, gut und zielführend ist. Und unser Gehirn muss wieder in die kindlichen Areale greifen, denn mit den dort verankerten Verhaltensweisen kann man sehr schnell reagieren. Nur eben nicht immer klug oder lösungsorientiert.

Selbstkontrolle unter Stress - Tempo rausnehmen. Professionelle Langsamkeit.
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Selbstregulation und Stress abbauen: Wir haben noch mehr Ideen, Tipps und Strategien

Sie möchten noch weitere Tipps zur Selbstbeherrschung erhalten oder effektive Strategien zur Selbstkontrolle unter Stress lernen und üben? Dann ist ein Training zur Impuls- und Selbstkontrolle oder ein individuelles Coaching vielleicht genau das Richtige für Sie. Gemeinsam mit Ihnen erarbeiten wir bei K7 in unseren Trainings effektive Strategien zur Selbstregulation in emotional aufgeladenen Auseinandersetzungen, damit Sie sich auch in schwierigen Situationen besser, klüger und mutiger verhalten können.

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